Interview mit Tom Greenwood

Autor des Buches "Nachhaltiges Webdesign"

Tom Greenwood ist Autor des 2021 bei A Book Apart erschienenen Buches "Sustainable Webdesign", welches im gleichen Jahr im conopolist Verlag in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Nachhaltiges Webdesign" erschienen ist. Das nachfolgende Interview wurde am 19. August 2021 auf Englisch geführt und vom Interviewer übersetzt.

Christoph M. Werner: Können Sie uns einen kurzen Überblick über Ihren beruflichen Werdegang geben?

Tom Greenwood: Ich habe an der Universität Ingenieurwesen und Produktdesign studiert und die ersten Jahre meiner Karriere im Industriedesign gearbeitet. Dann wechselte ich in die Welt des digitalen Designs und der Technik und gründete 2007 zusammen mit meiner Frau Vineeta die Web-Design-Agentur Wholegrain Digital. Ich wollte meine Design- und Ingenieursfähigkeiten nutzen, um einen positiven Einfluss auf die Welt zu nehmen, und es schien, dass die digitale Technologie eine große Chance bot, dies zu tun. Außerdem wollte ich aus erster Hand erfahren, wie es ist, ein Unternehmen zu führen, und meine Hypothese testen, dass Unternehmen ökologisch und sozial nachhaltig sein können. Seitdem habe ich das Unternehmen als Geschäftsführer geleitet, konnte ein Team von 20 Mitarbeitern aufbauen, habe die B-Corp-Zertifizierung erlangt und arbeite an sozialen und umweltrelevanten Projekten für Kunden wie UNICEF, Oxfam und Ecover.

Christoph M. Werner: Wie sind Sie überhaupt auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam geworden?

Tom Greenwood: Ich begann mich für das Thema grüne Technologie zu interessieren, als ich etwa 10 Jahre alt war und in der Schulbibliothek ein Buch mit Bildern aus der Zukunft fand, das Häuser mit Sonnenkollektoren sowie Elektrofahrzeuge zeigten. Die Idee, dass wir saubere Energie direkt von der Sonne beziehen könnten, begeisterte mich und erschien mir als Kind so logisch, noch bevor ich über die Umweltproblematik nachgedacht hatte. Einige Jahre später lernte ich in der Schule etwas über den Treibhauseffekt und sah in einem Geografie-Lehrbuch ein Bild, das die Weltkarte in der Zukunft nach dem Anstieg des Meeresspiegels zeigte. Mir wurde sofort klar, dass wir die Gesundheit unseres Planeten nicht als selbstverständlich ansehen können und Maßnahmen ergreifen müssen, um unsere eigene Zukunft zu schützen. Als ich später an die Universität ging, entschied ich mich, meine Abschlussarbeit über das Thema nachhaltiges Produktdesign zu schreiben, in der Hoffnung, dass ich eine Karriere im Bereich nachhaltiges Design und Technik machen konnte.

Christoph M. Werner: Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für Sie im Alltag?

Tom Greenwood: Ich glaube, dass ein intakter, gesunder Planet und ein gesundes Klima die Grundlage allen Lebens sind und nicht als selbstverständlich angesehen werden können. Die Wissenschaft ist sich darüber im Klaren, dass wir Wege finden müssen, nachhaltiger zu leben, aber die letzten Jahrzehnte haben auch gezeigt, dass wir nicht darauf warten können, dass Regierungen und Unternehmen die Probleme lösen. Wir alle haben eine Rolle zu spielen, und unsere kleinen individuellen Handlungen machen einen Unterschied bei der Ausrichtung unserer Gesellschaft.

Ich versuche zu tun, was ich kann. So fliege ich nicht mehr innerhalb Europas oder für die Arbeit und versuche, das Fliegen so weit wie möglich einzuschränken, obwohl ich Familie auf anderen Kontinenten habe. Ich ernähre mich vegetarisch, fahre ein Elektroauto, habe Solarzellen auf meinem Haus (wovon ich als Kind geträumt habe), habe eine Komposttoilette und versuche, einen Teil meiner Lebensmittel selbst anzubauen. Vor allem aber versuche ich einfach, mir der Entscheidungen, die ich im Alltag treffe, bewusst zu sein.

Christoph M. Werner: Was hat Sie dazu bewogen, das Buch zu schreiben?

Tom Greenwood: Als wir vor einigen Jahren damit begannen, eine zertifizierte B-Corporation zu werden, bewerteten wir die CO2-Emissionen unseres Unternehmens, und mir fiel auf, dass wir die Auswirkungen unserer Produkte nicht berechneten, weil sie digital waren. Ich fragte einige Branchenkollegen, und der Konsens war, dass digitale Produkte keinen ökologischen Fußabdruck haben. Das schien ein plausibles Argument zu sein, aber ich gab mich nicht mit dieser Annahme zufrieden und begann, das Thema zu recherchieren.

Daher begann ich ein internes Projekt bei Wholegrain, um eine Methode zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks einer einzelnen Website zu entwickeln. Dies inspirierte die Entwicklung von Tools und Ressourcen und führte in den nächsten Jahren zu einer deutlichen Veränderung unserer Herangehensweise an Web-Design und -Entwicklung.

Im Sommer 2019 traf ich mich dann mit einer Freundin zum Mittagessen und sie stellte mir die Frage: "Was würdest du tun, wenn du dir keine Sorgen um Zeit oder Geld machen müsstest?". Ich war überrascht, dass mir die Antwort sofort einfiel - ich würde ein Buch über nachhaltiges Webdesign schreiben!

Ich war besorgt darüber, dass unsere Branche einen enormen ökologischen Fußabdruck hinterlässt, und es dennoch fast kein Bewusstsein für die Probleme oder Lösungen gab. Ich hoffte, dass das Schreiben eines Buches dazu beitragen könnte, das Bewusstsein zu schärfen und die Branche auf einen nachhaltigeren Weg zu bringen.

Christoph M. Werner: Wie viel Zeit haben Sie mit dem Schreiben des Buches verbracht? Fiel es Ihnen leicht, das Buch zu schreiben? Wo mussten Sie sich anstrengen?

Tom Greenwood: Ich habe in den Weihnachtsferien 2019 mit dem Schreiben des Buches begonnen und innerhalb von zwei Wochen einen sehr groben Entwurf erstellt. Die nächsten Monate habe ich dann damit verbracht, diesen ersten Entwurf zu verbessern. Ich habe diese erste Schreibphase sehr genossen und mir viel Zeit genommen, um die Ideen zu Papier zu bringen. Die eigentliche Herausforderung kam erst nach diesem ersten Schreibprozess, denn es folgten mehrere Redaktionsrunden mit dem Verlag, die bis November dauerten. Das strukturelle Lektorat, bei dem große Teile des Inhalts an verschiedene Stellen im Buch verschoben werden mussten, war für mich eine echte Herausforderung. Insbesondere eine mentale, denn es fiel mir schwer, den Überblick über die Änderungen zu behalten und sicherzustellen, dass das Buch als Ganzes noch kohärent war. Die späteren Phasen des Lektorats waren einfacher, da sie sich hauptsächlich auf kleine Details und Verfeinerungen konzentrierten, aber nach fast einem Jahr des Prozesses atmete ich erleichtert auf, als das Buch fertig war.

Christoph M. Werner: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie Ihr Buch zum ersten Mal in den Händen hielten?

Tom Greenwood: Ich habe immer die Menschen bewundert, die sich dem Schreiben eines Buches gewidmet haben, und so war es ein sehr befriedigendes, aber auch surreales Gefühl, ein veröffentlichtes Buch mit meinem Namen darauf zu sehen. Es wurde noch seltsamer durch die Tatsache, dass wir zu der Zeit eingeschlossen* waren und ich es daher erst einige Zeit später jemandem zeigen konnte.

Christoph M. Werner: Wie war das Feedback zu Ihrem Buch bisher?

Tom Greenwood: Ich bin überwältigt von der positiven Resonanz. Obwohl ich das Buch in der Hoffnung geschrieben hatte, dass es in unserer Branche einen Einfluss haben würde, hatte ich natürlich auch die Befürchtung, dass es keinerlei Wirkung haben könnte und dass die Menschen sich nicht für das Thema interessieren würden. Es hat jedoch den Anschein, dass es in unserer Branche ein großes Interesse daran gibt, über Nachhaltigkeit zu sprechen, und das Buch hat viele Menschen dazu inspiriert, die Art und Weise, wie sie digitale Dienste entwerfen und entwickeln, positiv zu verändern.

Christoph M. Werner: An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?

Tom Greenwood: Derzeit arbeite ich an einer aktualisierten Version von WebsiteCarbon.com, der öffentlichen Version unseresCO2-Rechners für Webseiten, und arbeite mit Kollegen zusammen, um uns gegenseitig bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitstools in unserer Branche zu unterstützen. Außerdem beschäftige ich mich mit dem umfassenderen Thema der digitalen Nachhaltigkeit, um die Auswirkungen zu verstehen, die über Energie und C02 hinausgehen, und um Möglichkeiten zu ermitteln, wo digitale Technologien eingesetzt werden können, um einen positiven Einfluss zu haben.

Christoph M. Werner: Gibt es etwas, das Sie den Lesern dieses Interviews mitteilen möchten?

Tom Greenwood: Eines der Dinge, die ich in diesem Buch vermitteln wollte, ist, dass Nachhaltigkeit in keiner Branche ein Nischenthema sein sollte. Es ist klar, dass dringend gehandelt werden muss, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, und das bedeutet, dass wir jede Branche schnell dekarbonisieren müssen, auch den digitalen Sektor. Die gute Nachricht ist, dass die Dekarbonisierung des digitalen Sektors viel einfacher ist als in vielen anderen Branchen, und wenn wir das tun, haben wir auch viele andere Vorteile. Ich hoffe, das Buch kann die Menschen dazu inspirieren, das Streben nach Nachhaltigkeit bei allen digitalen Projekten als unabdingbar zu betrachten.

Christoph M. Werner: Danke für dieses interessante Interview!

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*) Auf Grund der Corona Pandemie; zu dieser Zeit war ein Lockdown verhängt worden.